Quellen verunreinigter Luft in Gebäuden sind hauptsächlich folgende: verunreinigte Aussenluft, Baustoffe, Möbel, Geräte, Gebäudeunterhalts- und Nutzeraktivitäten. Verunreinigte Luft kann auf verschiedenen Ebenen Effekte haben: Zu unterscheiden sind reiner Diskomfort (z.B. unangenehme Gerüche, sensorische Irritation), gesundheitliche Belastung (z.B. Atemwegsbeschwerden) und ernsthafte körperliche Schädigung (z.B. Lungenkrebs durch Asbest). Je nach Problematik wären also theoretisch entweder Diskomfort- oder Toxizitäts-Referenzwerte zu verwenden. Praktisch gesehen exisitieren nicht nur in der Schweiz sondern auch international zu den meisten Stoffen in der Luft nur dort gesetzlich festgelegte Grenzwerte, wo es um den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten geht. Im Bereich der Sicherstellung des Komforts der Nutzenden ist dies nicht der Fall. Dennoch sind Arbeitgeber in der Schweiz dazu verpflichtet, auch rein geruchliche Belästigungen oder störende sensorische Irritationen durch die Raumluft zu beseitigen.
Für gesundheitsrelevante Grenzwerte am Arbeitsplatz ist in der Schweiz allgemein die SUVA zuständig[1]. Diese publiziert jährlich den Bericht „Grenzwerte am Arbeitsplatz“, der unter anderem auch die maximalen Arbeitsplatzkonzentrationswerte (MAK-Werte) enthält. MAK-Werte sind darin folgendermassen definiert: „Der Maximale Arbeitsplatzkonzentrationswert (MAK-Wert) ist die höchstzulässige Durchschnittskonzentration eines gas-, dampf- oder staubförmigen Arbeitsstoffes in der Luft, die nach derzeitiger Kenntnis in der Regel bei Einwirkung während einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich und bis 42 Stunden pro Woche auch über längere Perioden bei der ganz stark überwiegenden Zahl der gesunden, am Arbeitsplatz Beschäftigten die Gesundheit nicht gefährdet.“
Der Bericht und die Grenzwerte pro Arbeitsstoff können hier heruntergeladen werden. Es finden sich darin auch Angaben zu den Luftqualitätsindikatoren, welche im Rahmen des hier beschriebenen Forschungsprojekts untersucht wurden – namentlich zu CO2, zu verschiedenen flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs)[2] und zu Stäuben[3]. In diesem Leitfaden wird aber nur auf CO2 spezifisch eingegangen, da zu diesem oft verwendeten Luftqualitätsindikator auch komfortbezogene Empfehlungen existieren, die über die SUVA-Anforderungen hinausgehen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den es im Zusammenhang mit den MAK-Werten der SUVA zu berücksichtigen gilt, ist, dass diese nur für separat betrachtete Effekte einzelner Stoffe gelten. Es kommt aber häufig vor, dass verschiedene Stoffe in der Raumluft auch mit anderen Stoffen oder Faktoren (bspw. Sonnenlichtexposition) interagieren. Zu solchen Interaktionseffekten bestehen aber bislang kaum gesicherte Erkenntnisse und entsprechend existieren dazu auch keine Richtlinien.
Die eben geschilderte Komplexität der Thematik wie auch der grosse mess- und auswertungstechnische Aufwand, der mit dem Nachweis vieler (Schad-)Stoffe in der Raumluft verbunden ist, machen bei hartnäckigen Luftqualitätsproblemen den Beizug von Experten meist unverzichtbar. Der Beizug von Experten ist in der Schweiz sogar gesetzlich vorgeschrieben, wenn dies zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden erforderlich ist. Die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS hat hierzu eine gesetzlich bindende Richtlinie erlassen, welche hier abgerufen werden kann.
CO2
Am Beispiel CO2 wird deutlich, dass es sich bei den MAK-Werten nur um Grenzwerte handelt, die den Gesundheitsschutz nicht aber den Komfort sicherstellen sollen: Während die SUVA als MAK-Wert für Kohlendioxid 5000 ppm (parts per million) festlegt, steht in der Wegleitung zur Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz: „Eine gute Raumluft ist dann gegeben, wenn die Gesamtkonzentration von 1000 ppm CO2, über die Nutzungszeit des Raumes nicht überschritten wird.“
CO2 ist heute in der Praxis einer der wichtigsten Indikatoren zur Bewertung der Luftqualität in Bürogebäuden. Da Menschen durch ihre Atmung CO2 produzieren und an die Luft abgeben, steigt der CO2-Gehalt in belegten, ungelüfteten Räumen schnell an. Mit zunehmender CO2-Konzentration treten bei den Raumnutzenden geruchliche Beschwerden und bei deutlich erhöhter CO2-Konzentration gar gesundheitliche Belastungen auf (Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel etc.).
Unter der Annahme, dass ein Lüftungssystem, neben dem CO2 auch weitere Luftschadstoffe zuverlässig abtransportiert, kann die Qualität der Lüftung in belegten Räumen aus dem CO2-Gehalt der Raumluft erschlossen werden. Es ist aber zu bedenken, dass dies nicht immer der Fall sein muss. Zudem können sich jeweils über Nacht, wenn Lüftungssysteme nicht mit voller Leistung laufen, aus Baumaterialien, Möbeln und Geräten etc. emittierte Schadstoffe im Raum ansammeln. Desweiteren kann es nahe der verursachenden Emissionsquellen zu höhreren Konzentrationen kommen, als in den übrigen Bereichen, in denen eine weitläufigere Durchmischung der einzelnen Bestandteile mit der Raumluft vonstatten geht.
[1] Auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, die Grenzwertunterschiede zwischen den verschiedenen Staaten zu harmonisieren. Diese aktuell kommunizierten Grenzwerte finden sich auf www.eu-lci.org
[2] Flüchtige organische Verbindungen (VOC) ist die Sammelbezeichnung für organische (also kohlenstoffhaltige) Stoffe, die leicht verdampfen (flüchtig sind) bzw. schon bei niedrigen Temperaturen (z. B. Raumtemperatur) als Gas vorliegen. Charles et al. (2005) geben einen Überblick über die in unterschiedlichen Leitlinien angesetzten VOC-Referenzwerte in Bürogebäuden.
[3] Zu Staubpartikeln, welche über die Atemwege in den menschlichen Körper gelangen können, existieren auch zwei in der Schweiz gebräuchliche Normen, welche unter anderem auch Referenzwerte enthalten. Konkret sind dies die ISO 7708:1995: Luftbeschaffenheit - Festlegung von Partikelgrössenverteilungen für die gesundheitsbezogene Schwebstaubprobenahme und die DIN EN 481: Arbeitsplatzatmosphäre; Festlegung der Teilchengrößenverteilung zur Messung luftgetragener Partikel.